Freitag, 13. März 2015

Schaffenskrisen bei Musiker. 1.0

Oder warum es uns manchmal eben trifft.

Lang ist es her seit mein letzter Artikel für euch online gegangen ist.
Ich hatte leider viel um die Ohren, bin viel herum gefahren und habe natürlich viel geübt. Wie sollte es auch anders sein… ;-) 
In den letzten Wochen bin ich allerdings mit dem Wort „Übertief“ allzu oft in Berührung gekommen; sei es durch Kommilitonen oder -zugegebenermaßen- durch mein eigenes unzufriedenes Post-Übe-Ich, dass manchmal dank seines verbissenen Perfektionismus die Trompete am liebsten an die Wand werfen möchte. Aber, wer kennt das nicht? 



Egal welchen Musiker man darauf anspricht, jeder kennt das Gefühl, dass „es heute irgendwie nicht so gut klappt“ oder man sogar das Gefühl hat sich Übetechnisch in einer Sackgasse zu befinden. Beim auf-Suchseiten-Begriffe-eintippen* finde ich auf der Suche nach „Schaffenskrise Musiker“, „Übetief Musiker“, „Motivationstief Üben“ und vielen weiteren verwandten Begriffen alle möglichen Gebrechen von Ansatzkrisen über Technikumstellungen, plötzlichen Leistungsschwankungen sogar bis hin zur absoluten Frustration und sogar Zwangspausen. Also jedem in seiner Schaffenskrise sei nach Studium der Suchergebnisse gesagt: Es geht immer einen Hauch extremer als man denken würde… 

Aber wie kommt es überhaupt soweit, dass ein Musiker sich in einer Schaffenskrise befindet? Sind wir, wenn wir darin landen, selbst Schuld oder ist es unumgänglich auch mal ein Tief beim Üben zu haben?

Die Wahrheit ist: Nein, wir sind nicht selbst Schuld und ja, es ist normal und sogar verständlich, dass das jedem Musiker passieren kann. Hier die Gründe: 


1.) Ein bißchen Besessenheit ist immer im Spiel

Ja, wir lieben unser Instrument. Berufsmusiker verbringen täglich 4-6 Stunden mit ihrem Instrument (manche mehr und manche… weniger) und sind stets darum bemüht, Fortschritte zu machen und an ihrer Musikalität zu feilen. Darüber hinaus hören sie sich Aufnahmen ihrer Stücke an, gehen in klassische Konzerte, denken über klassische Musik nach… Die Musik ist in unserem Leben immer präsent und wären wir nicht besessen von Musik, hätten wir schon längst aufgegeben. Und gerade das, macht uns für Schaffenskrisen so anfällig:
Eine Tätigkeit, die ich jeden Tag mehrere Stunden ausübe, müsste dann doch auch eine Tätigkeit sein, die ich irgendwann perfekt können müssen sollte*!? So unser Gedanke. 
Leider lernt das Ohr mit und irgendwann hören wir eben auch den noch so kleinsten Fehler und lernen förmlich „auf immer höherem Niveau zu jammern“. Und so kommt es, dass ein Musiker immer und immer besser werden will und ab und zu aus den Augen verliert, dass er doch kontinuierlich Fortschritte macht. 

2.) Druck.

Egal, ob früher bei Wettbewerben wie „Jugend musiziert" oder in Klassenstunden des Instrumentallehrers: Irgendwann sehen wir ein, dass es immer jemanden gibt, der besser ist als wir.
Zudem wird der junge Musiker von heute geradezu überschüttet mit hoffnungsfrohen Zukunftsprognosen in Zeit oder Spiegel*, hört mehrmals am Tag wie viel Konkurrenz außerhalb der behüteten Hochschulwelt auf einen warten und wird täglich mit seinem technischen Unzulänglichkeiten und Kritik konfrontiert. Manchmal fällt es einem zugegebenermaßen schwer, dort noch Luft zu bekommen, aber zur Aufmunterung: 
Die meisten Menschen im engeren Musikerkreis (der Lehrer, die Klasse,…) meinen es gut mit einem und wollen durch Kritik oder durch Betonung der massig lauernden Konkurrenz nur helfen. Also durchatmen erlaubt. 

Mozart in the jungle** 
Ich habe übrigens hier zu eine amerikanische Serie über ein junges New Yorker Orchester gefunden. Das Drehbuch wurde nach Memoiren der Oboistin Blair Tindall geschrieben; Regie führt Paul Weitz (American Pie). Hier der Trailer dazu: 


3.) Überlastung

Die meisten Übetiefs kommen übrigens unmittelbar nach einer sehr intensiven Übephase, in der wenig auf Pausen oder physische Gesundheit geachtet wird. Man übt zu verbissen und laugt sich damit aus. Die Folge: Man wird immer unfitter, bis man schließlich in einer Sackgasse landet. 

4.) Zu wenig Planung des eigenen Übens und fehlende Ziele

Zwar sagt der Narr aus Shakespeares ‚Was ihr wollt‘ so schön „…denn wenn man nicht weiß, wo man hin will, so kommt man am weitesten!“, diese Ansicht hilft uns beim Üben leider weniger weiter. Wer nicht weiß, was er erreichen will, weiß auch nicht, wie er dort hinkommen kann. Ist irgendwie logisch. Oft üben wir nur stumpf vor uns hin was wir einmal gelernt haben, ohne überhaupt zu hinterfragen warum wir das ganze üben und was wir damit erreichen wollen. Auch hier landet man in einer Sackgasse, man ist frustriert, sieht gegebenenfalls Fortschritte gar nicht weil sie einem nicht groß genug erscheinen oder der Fortschritt bleibt aus weil man eben immer nur dasselbe spielt. 



5.) Üben als Zwangsarbeit

Wer mit gequältem Blick seinen Kollegen sagt, er könne nicht mit auf ein Bier, weil er üben müsse, der sollte lieber sein Instrument einpacken und in die Kneipe gehen. 
Wer Üben als ein Muss ansieht oder als zwangsläufiges Übel, der demotiviert sich von vornherein selbst. 
Der Geiger Yehudi Menuhin sagte dazu: „Üben ist keine Zwangsarbeit. Es ist eine hohe Kunst, in die Intuition, Inspiration, Geduld, Eleganz, Klarheit, Balance und vor allem die Suche nach immer größerer Freude in Bewegung und Ausdruck fließen."
Lieber das Üben in Zukunft als etwas Gutes sehen, als Privileg, Chance oder eben als kreative Arbeit. 



Übrigens sind wohl die Komponisten diejenigen, die durchschnittlich wohl am längsten an ihren Schaffenskrisen zu knabbern haben. Verdi komponierte ganze 10 Jahre keine Oper, Rachmaninow litt unter schweren Depressionen und Selbstzweifeln, wurde schließlich unter Hypnose behandelt und widmete sein nächstes komponiertes Konzert nach der „Heilung“ anschließend seinem Arzt zum Dank. Auch Gustav Mahler suchte wegen einer Schaffensphase Sigmund Freud auf (das Treffen ist übrigens historisch belegt, auch wenn der Film dazu „Mahler auf der Couch“ womöglich zur Wahrheit einiges dazu gedichtet hat…). Diese Liste könnte man übrigens beliebig weiterführen, aber das sprengt heute den Rahmen meines Artikels. 

Zum Leben eines Musiker gehören eben Höhen und Tiefen, mal sind wir wie im Flow und alles läuft immer besser und mal eben nicht.

Wie man so ein Übertief möglichst schnell überwinden kann, kommt dann nach Prüfung der Methodik und weiterer Recherche im nächsten Artikel. :-) 

Bis bald, 
Eure Mareike

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*Anmerkung der Bloggerin: Ich habe nichts gegen Produktplazierung, lediglich eine leichte Allergie gegen das verbieren von Nomen... und wehe, es würde einer behaupten ich kaisere zu sehr herum!
**Anmerkung der Bloggerin: Entschuldigt dieses Konjuktivkonstrukt
***Hier einer dieser Zeit-Artikel über Probespiele: http://www.zeit.de/2011/08/DOS-Musik-Orchester-Probespiel
Und hier einer dieser Spiegel-Artikel: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/musiker-cellist-kaempft-gegen-die-konkurrenz-und-um-jeden-job-a-1004650.html
****Mozart in the jungle: Hier dazu ein Artikel in der Berner Zeitung: http://www.bernerzeitung.ch/kultur/kino/Fertignudeln-im-Orchestergraben/story/11253545 und falls jemand mehr als eine Folge davon findet, bitte an mich senden. Mir hat der Trailer und die Pilotfolge schon sehr gefallen!

<---------------Weiteres zum Thema Schaffenskrise---------------->

"VERDI, Roman der Oper" von Franz Werfel: 
Ein Buch, das ich mir auf jeden Fall bestellen werde: Es geht um die fiktive Begegnung von Verdi und Wagner während Verdis Schaffenskrise.
Im wahren Leben hat jene Begegnung übrigens nicht statt gefunden, Verdi hatte zwar eine Schaffenskrise und wollte Wagner deswegen aufsuchen, jedoch starb Wagner bevor Verdi ihn erreichen konnte.
Mehr zu dem Buch:
http://www.histo-couch.de/franz-werfel-verdi-roman-der-oper.html

Ein Artikel in der Welt über Miles Davis Schaffenskrisen und "psychedelische Abgründe": http://www.welt.de/kultur/article1525328/Miles-Davis-psychedelische-Musikabgruende.html



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